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zwischenreise

zwischenreise


bist durch die straßen gegangen und hast all das einmal mehr nicht getan, was du doch eigentlich hättest tun sollen, erledigen, damit du's abhaken kannst auf der liste, die nie vollständig, nie zu ende, immer länger wird, irgendwann zwischendurch kippt dann was raus, weil es endgültig vergessen oder unwichtig geworden, oder einfach der moment versäumt ist. jetzt aber, da das licht nachlässt, kannst du all das sowieso nicht erfüllen und willst es auch gar nicht, wirst es wieder verschieben auf irgendwann, wirst den vermeintlichen verpflichtungen entgehen, den bürozeiten und öffnungszeiten und abgabezeiten und verkehrszeiten, nicht weil es sie jetzt nicht mehr gäbe, sondern weil sie nicht mehr zählen, gerade.

weil du dich treiben lässt zwischen tausend anderen fäden hängst, sehen, treffen, hören willst, was bei licht betrachtet nicht zu erahnen wäre. du lässt dich darauf ein, lässt dich gehen, gibst nur marginal die richtung vor, eine ungefähre, lässt geschehen während irgendwo jemand den knopf aus dem wecker zieht nachdem er die zeiger gestellt hat, abgestellt, zielgerichtet auf augenaufschlag und das licht löschen wird nachdem er oder sie den fernseher ausgeschaltet und die abendtoilette zu ende gebracht hat. die schminke weggewischt, das ausgehen abgehakt, auf rückzug zu funktionszwecken gepolt, gegen das sich zeigen entschlossen, das wird erst morgen wieder eine notwendigkeit. 

für dich wird es anders sein, du weißt noch nicht wie, gerade jedenfalls hebst du ab in diese nacht, ohne vermutung, was sich wann verändert haben wird.


krisennächte

machst dich auf die reise zwischen nacht und morgen, wie rafik schami diese stunden mal nannte, setzt dich an die tische mit denen, die dir unterwegs begegnen, hörst zu, was sie zu erzählen haben oder teilst ihr schweigen hinter einem glas wein. ein glas, das hier so selbstverständlich bestellt und getrunken ist, von vielen, keineswegs von allen, doch von jenen sind kaum welche in den bars und lokalen der innenstadt zu treffen oder doch und machen sich unsichtbar, braucht genaueres hinsehen und gesten entschlüsseln um zu erkennen. kaum also einer zu sehen, eine schon gar nicht, immer noch die alte division, der sich die ganze nacht festhält an einem glas, weil ein weiteres nicht leistbar ist. wie in athen, wo die kneipen voll sind von jenen, während zwei häuser weiter die korken knallen. es sind krisennächte, die manche lokale dort ausrufen und in denen die drinks billiger ausgeschenkt werden, happy hour all night long, ums mal so zu sagen oder mit diesem glück zu schweigen, was dir nicht gelingt.

diese glücksverordnungen, da sind sie wieder, die festgelegten zeiten, die eingespielten regeln, nach denen selbige gebrochen werden dürfen, das über die stränge schlagen nach plan, das die energien kanalisiert und mit ihnen die umsätze. ein karneval, dessen herrschaftserhaltender wirkung sich nicht nur die venezianischen dogen schon früh bewusst waren, festgeschriebene tage des auflösens gesellschaftlicher schranken, das hingeben der utopie für einen moment der illusion oder viele. die suche nach einem solchen, zum event ohne einsatz geworden, hinterlässt die höchsten einnahmen und die größte zerstörung in der stadt. liegt seite an seite mit den crociere, jenen kreuzfahrttankern, die die palazzi weit überragen, während die wellen, die sie auslösen, ihre fundamente brechen. selfdestroying capitals... 


doch wer schaut schon hinter gläser? sie sind immer höher geworden, immer kunstvoller geschliffen, die stiele länger, bauchiger, schlanker die körper, die schwenks akrobatischer, der klang immer heller, die ränder immer zerbrechlicher. die inhalte sind schwerer zu bemessen nun mit freiem auge, sehen verloren aus zwischen soviel durchsichtigkeit, reduziert auf ein, zwei schlucke, die als umso verzweifelt kreativere adjektivierungen ihren niederschlag finden in einer konversation, die keine ist. das trinken zur show geworden, mit vielen einzelnen stunts, die nach noch und noch mehr aufmerksamkeit heischen, an einem abend, der sich vom tag davor in nichts unterscheidet.

die kleinen, becherartigen gefäße um die sich grüne weinblätter ranken, wie sie noch bei meiner grossmutter in der aufkippbaren zimmerbar standen, sind bestenfalls retro-gags vom flohmarkt, sorgfältig arrangiert zwischen teuren sperrmüllsesseln und wackligen tischbeinen. inszenierungen von schlichtheit, gemeinsamkeit, shabby chic als neuer luxus. die preise entsprechen den hochstieligen bauchigen schwenkern, von denen die leistbarkeit jedes einzelnen für jene bemessen ist, die den tag auch in der nacht aufrechterhalten. 


wut schmecken, im bauch und auf der zunge, klirren hören wollen was in tausend scherben einen glitzerregen auslöst, schlieren zieht entlang der verrillten tische und präzise placierten wasserkaraffen. den raum verlassen und ihn sich wiederholen, verhalten entgegensetzen, was immer wirksam sein mag, keine kampflose aufgabe der nachtzeiten, die längst ausgedehnte räume sind und immer waren. ausloten, sich um zusammengeschobene tische drängen, dicht an dicht, lose verschränkungen, aus denen gewebe entstehen, austausch, aufmerksamkeit, stunden, die verrinnen ohne dass ein einziger blick auf die uhr fällt, stattdessen über den glasrand hinweg vielleicht einander in die augen, vorbei an den restlichen, lachen, eine berührung wie zufällig, das selbe spiel wiedererkennen, ein kurzes innehalten in der satzverknüpfung, keine frage nach dem woher und wohin, etwas davon erahnen und trotzdem und gerade darum. ein entfliehen den vor/geschriebenen zeiten und kalkulationen, ein zulassen des moments, ein bestehen im augenblick, wie ein flüchtiger kuss der alles enthält und nichts verspricht außer dem jetzt und hier. denn das ist mehr als uns zugestanden wird.


atemzeiten

es ist viel zu früh für die straße, siehst während du durch die klaren luftbänke hindurch wanderst die ersten lichtstreifen über der brücke auftauchen, zu hell beinahe, du hättest gern die augen geschlossen gehabt eine weile davor, hattest für erholung aber keine zeit, auch keine lust, darauf bestimmt nicht... siehst die kleine bäckerei, geduckt hinter dem leichten gefälle des gehsteigs, offene tür sogar, du gehst rein, bist nicht die einzige in dieser selbstverständlichkeit, die scheinen da munter zu sein, zu leben, den tag zu beginnen wie jedes mal, kommst dir aber trotzdem nicht verloren vor, irgendwie reingeweht und zur szenerie gehörig, obwohl du gedacht hättest, das sei hier nicht die gegend dafür. kriegst kaffee, den du im pappbecher mitnimmst zur haltestelle und croissant dazu, noch vom blech, das oben am ofen steht, beides zu heiß, zu frisch für diesen tag, zu bröselig zum unterwegs essen eigentlich, aber du willst doch wieder hinaus, kannst dich nicht entschließen länger in dieser durchgangsstation zu verweilen. eine flüchtige erinnerung an den süden, die bars da, keiner hätte dich dazu gebracht, nicht an der theke stehen zu bleiben, zwischen all den anderen, die es dort angeschwemmt hat, zwischen zischender kaffeemaschine, dampfenden milchschäumern und perfekten brioche, denen du einfach nie widerstehen kannst. ebenso wenig wie der sprachkulisse, dem rhythmus, der dich in jeden tag bringt egal zu welcher uhrzeit, während du hier verloren neben dir hängst und problemlos jedes wort verstanden hättest, das du nicht hören willst. der papierrand zwischen den lippen hinterlässt einen schalen geschmack, der die bitterkeit des getränks auf der zunge nicht zu übertreffen vermag, die finger haben sich verloren in den schichten des gebäcks, den letzten rest wirst du, zähneknirschend, entsorgt haben, bevor du in die tram steigst, in deren neonheller zeitlosigkeit du dich weigerst, die nacht zu beenden.


jetzt brechen sie an, die privatisierten arbeitszeiten, rücksichtslos gegen die geschöpfe der vergangenen stunden und ihre erlebnisse, ihre müdigkeit, die ihnen zustehende atemzeiten werden ignoriert, die übrig gebliebenen glasmassen aus den kübeln in die container geknallt und die grade weggeschlummerten wieder aus ihren revisions gerissen. im sommer bei geöffneten fenstern ist es besonders schlimm. und keiner fragt, wer denen das recht dazu gibt, keiner wehrt sich gegen die zerstörung der zeit; keiner vertritt den anspruch, den beginn des tages selbst zu bestimmen.


...




[Artikel/nacht.schicht - evelyn schalk/19.08.2014]





    Artikel/nacht.schicht - evelyn schalk


    16.12.2014 sich verlieren

    19.08.2014 zwischenreise

    01.07.2014 gegenzeiten

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